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audit

Künstler*in(nen)
Otto Berchem, Chris Burden, Nathan Coley, Gardar Eide Einarsson, Peter Friedl, Michael Elmgreen & Ingar Dragset, Tracey Moffatt, Muntadas, Marjeta Potrc, Antoine Prum, Michael Stevenson, Barbara Visser
Kurator*in(nen)
Boris Kremer

Wie kann das System Kunst Rechenschaft ablegen?audit nimmt die Methode des internen Prüfverfahrens in Anspruch, um zu einem bestimmten Zeitpunkt die Institution, d.h. sowohl ihre jüngere Vergangenheit als auch ihre Zukunftsoptionen zu untersuchen. Unter Institution versteht sich hier die Summe der Akteure im Kunstbereich, die bildhaft mit den Angestellten eines weltweit operierenden Unternehmens gleichgestellt werden. Mit Rücksicht auf die Vielfalt der Beziehungen begutachtet das audit solch unterschiedliche Aspekte wie die sichtbaren und unsichtbaren strukturellen Begebenheiten des Ausstellungsraums, den Begriff der Ausstellung an sich, die respektiven Rollen der Künstler, Kuratoren, Kunsthändler und des Publikums, die theoretischen Diskurse und die Praxis der Produktion und Verbreitung von Kunst.

Darüber hinaus rückt audit die inhärente Problematik sogenannter Institutionskritik in den Vordergrund. Die hier vorgestellten Arbeiten, die größtenteils eigens für diesen Anlass konzipiert wurden, tragen den methodologischen Zwickmühlen des internen Audits Rechnung, indem sie sich immer wieder selbst hinterfragen, ihren Impakt gewissermaßen relativieren und die systeminternen Grenzen aufzeigen. Hierbei streichen sie die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem prüfenden Blick und dem zu prüfenden Objekt hervor und stellen die weiterführende Frage, welche Optionen der Kritik heutzutage verbleiben.Im Bestreben, den konzeptuellen Bezugsrahmen einzugrenzen, wird audit eine neue Interpretation von Muntadas Work-in-progress unter dem Titel Between the Frames zeigen. Diese Arbeit, die zum ersten Mal 1994 im C.A.P.C. Musée d'art contemporain, Bordeaux gezeigt wurde, ist das Resultat von mehr als 150 Interviews, die der Künstler mit verschiedenen Darstellern aus der Kunstszene führte. Bei jeder neuen Präsentation wird die Arbeit, die wie eine Partitur in acht Kapitel gegliedert ist, von einer Persönlichkeit aus einem anderen Tätigkeitsfeld interpretiert. Nach Guy Bellavance, Soziologe (Montreal), Wouter de Nooy, Kunsthistoriker (Rotterdam) und John Rapko, Philosoph und Kunstkritiker (Berkeley), wird der Bankfachmann Robert Frankle den in dieser Arbeit geäußerten Diskurs der Kunstwelt auf verschiedenen Ebenen der Produktion und des Vertriebs der Kunst auf seine ökonomischen Aspekte hin untersuchen.Eine Skimütze und zwei Dokumentationsfotos sind die Reliquien einer historischen Intervention von Chris Burden in Kansas City. Die Überbleibsel von You'll Never See My Face in Kansas City bezeugen Burdens Haltung im Umgang mit der Institution und dem Publikum und ihren jeweiligen Erwartungen an die Künstler. Weiterhin zeigt die Arbeit eine gezielte Umkehrung gewohnter Machtstrukturen, deren Impakt weit über die wortwörtliche Umsetzung eines trockenen Statements hinausreicht.Als zeitgenössische Variante einer solchen Aktion könnte man die Arbeit Untitled (Wallpainting) von Gardar Eide Einarsson umschreiben, die zum ersten Mal in der Hauptausstellung von Momentum 2000 in Bergen gezeigt wurde. Einarssons formal hintergründige Kritzelei, die sich erst bei genauerem Hinsehen als fahler Ausdruck eines längst verinnerlichten Protests entpuppt, strebt eine grundlegende Reflexion über Kritik in zunehmend geordneten und sich selbst überwachenden Systemen an.Ähnliches gilt für die von Michael Elmgreen & Ingar Dragset inszenierten Zwischenfälle, die einen ironischen Kommentar zu den Disfunktionen und kleinen Alltagsdramen im Leben der Institution abgeben. In ihren Powerless Structures sind es letztlich die Parameter des White cube, die den Unfall als Inszenierung entlarven, und so den Impakt der Kritik, und nicht zuletzt des eigenen Eingriffs relativieren.Einen weiteren Hinweis dafür, dass Künstler sich nicht dem kritischen Blick auf ihre eigenen Verhaltensweisen und deren Repräsentation und Rezeption verschließen, liefert Tracey Moffatts jüngstes Video. Artist ist eine temporeiche Montage aus Sequenzen bekannter und weniger bekannter Filme, die die Figur des Künstlers in verschiedenen Situationen porträtieren und fast beiläufig bezeugen, wie langlebig manche Klischees sind.Der Begriff der Professionalität und das dazugehörige Berufsbild werden gleichfalls von Antoine Prums Intervention Men of STIHL aufgegriffen, um ein spektakuläres Ereignis zu inszenieren, das nur bedingt ironisch an die Gebräuche der Kunstwelt anknüpft. Zur Eröffnung können die Besucher einem professionellen Skulpturenwettbewerb beiwohnen, dessen Gewinner einen Preis von einer Jury anerkannter Experten überreicht bekommt.Peter Friedls Recherche hat ihn nach Los Angeles geführt, wo er sich vom Eingangsbereich eines Alphabetisierungszentrums auf dem Hollywood Boulevard inspirieren ließ. Seine Struktur mit dem Titel H.E.L.P. Reading Room, die aus Holz und Plexiglas gefertigt wurde, erinnert vage an ein Bild von Mondrian und ist das hybride Produkt eines komplexen kulturellen Austauschverfahrens, das die Ästhetisierung der Moderne schonungslos aufzeigt und zugleich auf eine gewisse zeitgenössische Kunstpraxis hinweist, die sich scheinbar dem Designfetisch verschrieben hat.Otto Berchems Dokumentarfilm Going Public wird seinerseits Stellung zur sozialen Wirklichkeit anerkannter Kunstwerke beziehen, um so deren beängstigende Vervielfältigung im öffentlichen Raum und die ihnen geläufigen Widersprüche aufzudecken. Seine Projektion wird die ungeahnten physischen Gefahren zeigen, die von öffentlichen Skulpturen von Dan Graham, Richard Serra, Lawrence Weiner und anderen ausgehen.Ebenfalls im Wirkungsbereich der Konzeptkünstler und Minimalisten verankert ist die Arbeit von Michael Stevenson, die zum Teil auf der aufwendigen Recherche des Enthüllungsjournalisten Robert Katz beruht. Stevensons Installation versteht sich nicht als Analyse der umstrittenen Umstände, die den Tod der kubanisch-stämmigen Künstlerin Ana Mendieta begleiteten, sondern vielmehr als eine Studie über die reaktionären Mechanismen, die den geschlossenen Kunstzirkel des New York der 1980er Jahre prägten. Mehrere Zeichnungen zum Prozess von Carl Andre, der des Mordes angeklagt und anschließend freigesprochen wurde, sowie das zentrale Beweisstück der Anklage können in The People vs. Carl Andre unter die Lupe genommen werden.Im Umgang mit der bürgerlichen Architektur des Casino Luxembourg und seiner unmittelbaren Umgebung hat Marjeta Potrc beschlossen, eine Installation über die gesamte Fassade zur Rue Notre-Dame hin zu ziehen, bestehend aus Abflussrohren, Satellitenschüsseln, Elektrokabeln und einem Balkon. Das Projekt Upgrade, das sich auf die spontane, illegale Architektur überbevölkerter Großstädte wie Hongkong oder Rio de Janeiro bezieht, schickt sich an, die bereits vorhandene Architektur 'aufzuwerten' und auf Umwegen das emanzipatorische Potenzial temporärer Organisationsformen aufzuzeigen.Als Weiterführung einer solchen Analyse, die sich vordergründig mit urbaner Architektur beschäftigt, hat Nathan Coley zwei Modelle von heruntergekommenen Häusern entworfen. Coleys Holzstrukturen, die zwischen Skulpturen, Modellen und Vorschlägen für ein öffentliches Monument schwanken, erforschen soziale Wirklichkeiten, die der Kunst neue Diskussionsargumente liefern könnten. Im Spannungsfeld des schwer definierbaren Statuts von Hurt Burn me Daddy und Homes for Heroes entstehen unkonventionelle Erwägungen hinsichtlich der Bedeutung von Monumenten und künstlerischen Eingriffen im Stadtbild.Als Kontrapunkt zu den Anfügungen von Marjeta Potrc hat Barbara Visser beschlossen, die Aufmerksamkeit der Besucher auf ein unsichtbares Element zu lenken: die Unterwäsche der Angestellten des Casino Luxembourg. Die Künstlerin konnte einen bekannten Markenproduzenten für eine Zusammenarbeit gewinnen, aus der eine Invisible Uniform mit dem stylisierten Logo der Institution hervorging, eine unsichtbare Tracht deren Existenz nur auf Tuchfühlung mit dem Personal nachgeprüft werden kann.Parallel zur Ausstellung haben die Grafiker Laurent Daubach, Tom Gloesener und Silvano Vidale das Corporate design des Casino Luxembourg einer eingehenden Analyse unterzogen. Sie wurden aufgefordert, ihre Überlegungen bezüglich des von der Institution vermittelten Bildes grafisch einzubringen und mehrere Neudefinitionen des Casino-Images zur Debatte zu stellen.

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Mit der Unterstützung der Mondriaan Stichting, Danish Contemporary Art Foundation und The British Council.