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Jean-Jacques Lebel – Reliquaire pour un culte de Vénus

Künstler*in(nen)
Jean-Jacques Lebel
Kurator*in(nen)
Enrico Lunghi

Als Symbolfigur einer Künstlergeneration, die zur „kulturellen Revolution" der sechziger Jahre beigetragen hat, ist es seit jeher das Anliegen von Jean-Jaques Lebel Kunst und Lebensphilosophie miteinander in Einklang zu bringen. Obwohl Lebel 1960 zusammen mit Alain Jouffroy von der surrealistischen Bewegung ausgeschlossen wurde, reflektiert sein künstlerischer Werdegang, neben dem Dadaismus Max Ernsts und dem Geist Marcel Duchamps, auch das Gedankengut André Bretons.In jenen Jahren knüpft er ebenfalls erste Kontakte zu den philosophischen Kreisen, u.a. zu Gilles Deleuze und Félix Guattari. Zu dieser Zeit entstehen Lebels Begegnungen mit Künstlerpersönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen deren gemeinsames Anliegen die "poetische  Aktion als Antreiber der Gegensätzlichkeiten in unserer Industriegesellschaft" ist. Poesie, Malerei, Theater und politisches Engagement werden somit in einer Reihe von Happenings oder Performances zum Ausdruck gebracht. Inspiriert von Allan Kaprows fortschrittlichen Ideen und Inszenierungen in New York, gilt Jean-Jacques Lebel als der Hauptveranstalter in Europa solcher Happenings, die sich als eine Weiterführung der Action Painting ausserhalb eines vorgegebenen Rahmens verstehen und somit den Theorien von Antonin Artaud über das Theater nahestehen.

In diesem Sinne, und als Reaktion auf das damalige politische Klima, veranstaltet Jean-Jacques Lebel 1960, zusammen mit Alain Jouffroy, L'Anti-Procès, eine Mischung aus Theater, Happening und Ausstellung, mit der „absoluten Freiheit für jeden zu machen was er will, solange es Opposition zum Algerienkrieg zum Ausdruck bringt", und an der Künstler wie Brauner, Matta, Dufour, Rauschenberg, Tinguely, Michaux, Fontana, Erro, Fahlström und Lam teilnehmen. 1961 entsteht das Grand Tableau Antifasciste collectif, das während 23 Jahren von der Questura in Mailand beschlagnahmt wird. Ab 1964 folgt dann in der Tradition des Anti-Procès das Festival de la Libre Expression sowie 1979 das Festival International de Poésie Directe Polyphonix, ein Zusammenspiel von bildender Kunst, Video, Musik, Performance, Poesie... (Die 37. Ausgabe von Polyphonix fand übrigens am 29. Mai 2001 im Casino Luxembourg statt. ) Bekannt ist vor allem Lebels Happening Dechirex von 1965, als Teil der zweiten Auflage des Festival de la Libre Expression, das sich gegen die Suprematie des Autos in der Gesellschaft richtete und im Laufe dessen ein 4CV Renault sozusagen als „Person" zugegen war. Am Ende des Happenings blieb fast nichts mehr von dem Wagen übrig, so brutal hatten sich die Zuschauer über ihn hergemacht. Am nächsten Tag zog der Künstler Ben mit verbundenen Augen und mit einer Feuerwehraxt durch die Menge. Der Kommentar Lebels zur Gewalt:" Die relative Gewalt bei unseren Aufführungen blieb stets ironisch, aber es stimmt, daß der Sinn für Humor des einen, die Gefühlswelt des anderen schockieren kann".Auch wenn Jean-Jacques Lebels Kunst sich seit den sechziger Jahren vor allem mit Performances beschäftigt, so bleibt er doch ein bildender Künstler, der 1988 sozusagen aus dem „Exil" zurück in die Kunst- und Ausstellungswelt kehrte, von der er sich zwanzig Jahre lang verabschiedet hatte, um zu vermeiden ein „domestizierter" Künstler zu werden. Texte, Collagen, Malerei, Skulptur, Installation und unmittelbare Aktionen bringt Lebel in Verbindung mit Sexualität, Alltag, Politik und Philosophie, mit dem Ziel die Gesellschaft zu „dadaisieren" (Portrait de Nietzsche, 1961; Portrait de Rauschenberg, 1961; Monument à Felix Guattari, 1995).Im Casino Luxembourg zeigt er eine Auswahl der Installation in progress Reliquaire pour un Culte de Vénus, die aus einer Ansammlung von mehr als 1000 Bildern und Objekten besteht, die in irgendeiner Weise in Beziehung zur Venus stehen, und die von sonntäglichen Trödelmärkten in der nähe seiner Ateliers in der Eure, dem Calvados und der Seine-Maritime stammen, als auch aus ferner gelegenen Gegenden (Italien, Spanien, China, Deutschland, die USA, Québec...). Die Gegenstände, von der „nobelsten" Ikone bis hin zum „vulgärsten" Kitsch, spiegeln die ganze Bandbreite der Venuskulte wider."Ich sehe die Venus im klassischen Sinne des Wortes: als Göttin der Liebe und der Verführung, als sinnlichen Ausdruck der Weiblichkeit im Bereich der Plastizität und  der Soziologie der Zeichen. Das ganze von mir herbeigetragene Sammelsurium aus Fundobjekten, -bildern und -gemälden, sowie Collagen und Zeichnungen, ist nur scheinbar chaotisch: Es gibt eine Logik, einen Draht und manchmal auch eine sich dauernd wandelnde Form. Verschiedene Arten der Verehrung sind miteinander verflochten. Es handelt sich um ein Nietzschersches Projekt oder Traum: ein buntes Pandemonium von allem was bekannt ist über die Göttin der tausend Gesichter und unzähligen Verkörperungen. Daher auch der Titel: Reliquaire pour un Culte de Vénus."

Ausstellungen

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Partners

In Zusammenarbeit mit Frac Basse-Normandie und dem Crédac, Villa Tamaris.